Château Cheval Blanc gehört zur absoluten Spitze in Bordeaux. Umso interessanter war es, Pierre-Olivier Clouet, den Technischen Direktor des Châteaus, in München einmal live zu erleben und mit ihm die Besonderheiten in Weinberg und Keller diskutieren zu können. Bei Bordeaux denkt man sehr schnell an High Tech im Keller, vielleicht doch ein Vorurteil wie mein nachfolgender Bericht zeigt.
Die Rebanlagen von Château Cheval Blanc verteilen sich auf 40 ha rund um den 2011 von Christian de Portzamparc entworfenen futuristischen Weinkeller, der sich dank seiner organisch flachen Bauweise sehr gut in die Landschaft integriert. Seit 1852 wird hier unter dem Label Cheval Blanc Wein erzeugt und seit 1954 ist das Château als Premier Grand Cru Classé „A“ klassifiziert und gehört zu den 9 besten Weingütern im gesamten Bordeaux Gebiet.
49% Cabernet Franc, 47% Merlot und 4% Cabernet Sauvignon verteilen sich dabei auf 45 verschiedene Plots, die einzeln im Keller ausgebaut werden. Dies ermöglicht dem Weinmacher wie bei einem Orchester Einzelstimmen zu einem grossen Ganzen zu kombinieren. (Seit einigen Jahren wird auch Sauvignon Blanc und Semillon für den Le Petit Cheval Blanc angebaut)
Es gibt 10 verschiedene Bodenformationen, die sich durch unterschiedliche Gehalte an Ton, Sand und Kieseln abgrenzen. Das Château liegt am Rande der Saint Émilion Appellation in Nähe des Pomerol Plateaus.
Das durchschnittliche Rebalter beträgt ca. 40 Jahre und die ältesten Reben datieren aus dem Jahr 1920. Werden Reben ersetzt wird auf eine Sélection Massale aus den vorhandenen Rebanlagen aus Merlot und Cabernet Franc zurückgegriffen um die bestehende Genetik und Charakteristik zu erhalten.
Eine Besonderheit ist, dass bei Ersatzanpflanzungen zuerst für 3 Jahre reinsortige amerikanische Unterlagsreben gepflanzt werden, um dann erst die europäischen Edelreiser (Cabernet Franc und Merlot) aufzupfropfen. (Eine uralte Technik, die leider in Vergessenheit geraten ist und von Marc Birebent’s Firma Worldwide Vineyards angeboten wird.) Die Kosten für dieses Vorgehen liegen erheblich höher, als bei konventionellen Anpflanzungen mit Reben aus der Rebschule und die Reben werden erst später produktiv. Die Reben sind aber viel widerstandsfähiger, gesünder und langlebiger im späteren Verlauf.
Jeder der 45 verschiedenen Plots wird separat gelesen, wenn die Trauben „al dente“ sind, das heißt man möchte die Frische des Cabernet Franc bewahren und auch den Merlot nicht überreif werden lassen. Der Ertrag liegt dabei im Durchschnitt zwischen 34 und 39 Hl/Hektar je nach Rebsorte.
Im Keller des Châteaus stehen 52 aus Beton gefertigte offenporige konische Fermenter in 9 verschiedenen Größen zur Verfügung, so dass jeder der 45 Plots separat vinifiziert werden kann. Der Vorteil der eingesetzten Betontanks liegt in der Sauerstoffdurchlässigkeit, die etwas unterhalb von Holz liegt und im langsameren Erwärm- und Abkühlverhalten des Betons gegenüber Holz, so dass ein sehr gleichmässiger Gärverlauf möglich wird, was zu präzisen Aromen führen soll. Auch die Form der Gärbehälter hat darüber hinaus einen Einfluss auf den Gärverlauf und die Extraktion. Der biologische Säure-Abbau nach dem Fermentieren wird auch in Betontanks durchgeführt, weil man die bei einer Malolaktik im Holzfass wahrscheinliche Übertragung von Holzaromen in den Wein vermeiden will. Danach kommt der Weine sortenrein in Barriques und die Fässer werden ca. alle 4 Monate abgezogen.
Im ersten Frühjahr nach der Ernte und vor den Primeur Verkostungen wird dann auch entschieden welche Partien in den Grand Vin eingehen sollen und das Blending von Cabernet Franc und Merlot durchgeführt, das natürlich sehr viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung voraussetzt. Gilt es doch sowohl Terroir, die Charakteristik des Jahrgangs als auch den Haus-Stil von Cheval Blanc unter einen Hut zu bekommen und schmeckbar zu machen.
Ausselektierte Partien gehen in den Petit Cheval ein. Dessen Verhältnis an Cabernet Franc zu Merlot ist deshalb nicht fixiert. Im Jahrgang 2015 war die Qualität der Grundweine allerdings so gut, dass kein Zweitwein erzeugt wurde.
Das Thema Fassauswahl wird mit höchster Akribie gehandhabt. Nur die besten Fässer werden von 6 verschiedenen Küfern gekauft. Das Holz kommt dabei aus dem Tronçais und Bercé Forst.
Alle Fassproduzenten kommen nach einigen Monaten zum Château um den Wein aus ihren jeweiligen Fässern zu verkosten. So wissen diese genau, auf welche Charakteristika das Château wert legt.
Für den Grand Vin werden immer 100% neue Fässer eingesetzt und nach insgesamt ca. 16-18 Monaten Élevage werden die Weine nach traditioneller Art mit Eiweiß geschönt und gefüllt.
Die Wahrheit liegt bekanntlich im Glas und neben dem sehr guten Petit Cheval aus dem Jahrgang 2012 standen vier Cheval Blanc zum Verkosten bereit.
Bewusst hatte man sich für das Tasting in München entschieden Jahrgänge mit unterschiedlicher Charakteristik auszuwählen. Dabei beeindruckte ein Wein besonders: der strukturierte, aber feinsinnige 2015er Jahrgang, der mit seinen seidenweichen aber präsenten Tanninen, einer inneren Dichte und Balance und bereits in der Jugend großer Länge alles zeigte, was einen perfekten Wein ausmacht. Ihn wird man wohl noch in vielen Jahrzehnten mit großem Genuss trinken können.
Hier meine Notizen im Einzelnen:
2015 Cheval Blanc 45% Cabernet Franc / 55% Merlot: Mittleres Rubinrot mit gleichmäßig abnehmenden Rand, Mittlere Intensität von dunklen Früchten und floralen Noten, präsente gut integrierte Säure und sehr feine, seidige Tannine. Zeigt im Mund wieder die dunklen Früchte ergänzt um Veilchen und Rosenaromen und etwas Lakritz im Hintergrund. Baut sich am Gaumen mit seiner Struktur immer mehr auf, wirkt sehr balanciert und endet in einem sehr langem Abgang, ein perfekter Wein 100/100 2025-2055
2011 Cheval Blanc 52% Cabernet Franc / 47% Merlot / 1% Cabernet Sauvignon: Rubinrot mit leicht wässrigem Rand, in der dunklen Frucht zeigen sich leicht blättrige Aromen (Johannisbeerblatt, Minze), schlankerer Körper, der Wein bleibt am Gaumen recht verschlossen und zeigt mittlere Säure und mittleres Tannin bei einer guten Länge 93/100 2021-2041
2009 Cheval 42,5% Cabernet Franc / 55,9% Merlot / 1,6% Cabernet Sauvignon: Dichtes Rubinrot, reife dunkle Früchte mit Veilchen in der Nase, die sich am Gaumen wiederholen, deutlich wahrnehmbarer Körper und mittlere Säure mit hedonistischer Frucht am Gaumen, reife Tannine, im Abgang lang 96/100 bis 2049
2006 Cheval Blanc 45% Cabernet Franc / 54% Merlot / 1% Cabernet Sauvignon: Mittleres Granatrot mit leicht wässrigem Rand, in der Nase erste Reifenoten von Waldboden und Pilzen, die die Frucht anfangen zu überlagern, präsente Säure und feine Tannine, recht schlanker Körper, mittlerer Abgang, wirkt durchaus älter als der Jahrgang vermuten lässt 92/100 bis 2036
Das Tasting erfolgte auf auf Einladung von Alpina Wein Burkard Bovensiepen